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03.11.2021
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Gutachten: Eine Verkehrswende im AVV gelingt nur mit einem deutlichen Ausbau des ÖPNV

Dafür sind zusätzliche Mittel in erheblichem Umfang erforderlich

Um die von der Bundesregierung vorgegebene Senkung des CO2-Ausstoßes bis 2030 um 55% gegenüber 1990 zu erreichen, muss deutlich mehr Verkehr auf den ÖPNV verlagert werden – trotz der insbesondere auch für den ÖPNV negativen Auswirkungen und großen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie.

Ein umfangreiches strategisches Gutachten im Auftrag des Aachener Verkehrsverbunds (AVV) zeigt nun, was für eine erfolgreiche Verkehrswende im AVV vor allem nötig ist: ein dichteres Angebot und eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung des öffentlichen Verkehrs. Die Gutachter schlagen daher neue Instrumente zur ÖPNV-Finanzierung vor und zeigen auch den hierfür erforderlichen rechtlichen Anpassungsbedarf auf Landesebene auf.

Das Gutachten des Beratungsunternehmens civity Management Consultants im Auftrag des AVV formuliert klare Ergebnisse und Empfehlungen:

  • Um den ÖPNV als echte Alternative zum Pkw zu etablieren, sollten Busse und Bahnen deutlich häufiger fahren als bisher. Dazu schlagen die Gutachter insbesondere dichtere Takte und eine deutliche Verdichtung des Fahrplanangebots am Abend sowie am Wochenende vor. Die ÖPNV-Netzdichte im AVV dagegen ist heute bereits gut und erschließt große Teile der Bevölkerung.
  • Um die Reisezeiten mit dem ÖPNV gegenüber dem Pkw zu verkürzen und gleichzeitig Betriebskosten zu sparen, müssen Busse und Bahnen konsequent gegenüber dem Pkw bevorrechtigt und priorisiert und damit deutlich schneller werden. Ein attraktiver und leistungsfähiger ÖPNV fährt möglichst direkte Linienwege und steht nicht im Stau.
  • In der Stadt Aachen und auf stark nachgefragten Achsen im Umland empfehlen die Gutachter leistungsstarke, schienengebundene Verkehrsmittel, so wie sie in Aachen bereits vertieft diskutiert und untersucht werden (Regio-Tram).
  • Flexible Bedienformen und sogenannte On-Demand-Angebote können den klassischen ÖPNV in sehr dünn besiedelten Gebieten und zu sehr schwach nachgefragten Zeiten ergänzen (z. B. nachts), ihn jedoch nicht ersetzen.
  • Der weitere Ausbau des ÖPNV-Angebotes (insb. Taktverdichtung) entfaltet mit einer optimierten Verknüpfung von Bus und Bahn sowie der Vernetzung mit weiteren Playern des Mobilitätsverbundes optimale Wirkungen.
  • Die vom AVV bereits verfolgte Digitalisierungsstrategie sollte konsequent umgesetzt werden, z. B. hinsichtlich der in der Umsetzung befindlichen zentralen Vertriebsplattform sowie des kurz vor der Einführung stehenden NRW-weiten eTarifs.
  • Um die skizzierten Maßnahmen zu finanzieren, haben die Gutachter konkrete Instrumente ausgearbeitet und berechnet, welche Mittel sich hierdurch je-weils für den öffentlichen Verkehr erzielen ließen. Eine juristische Bewertung der Instrumente zeigt jedoch auf, dass für viele Maßnahmen zunächst die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen auf Landesebene zu schaffen sind (z. B. für die Einführung eines Bürgertickets oder eines Arbeitgeberbeitrags zum ÖPNV).
  • Ideen wie Preissenkungen, 1-Euro-Tickets oder kostenloser ÖPNV erteilt das Gutachten nach vertiefter Prüfung eine klare Absage: diese führen nachweislich nicht zu den oftmals erhofften Fahrgastzuwächsen. Es ist wesentlich vielversprechender, die vorhandenen Finanzmittel für den starken Ausbau des Angebots statt für Preissenkungen zu nutzen.
  • Die Gutachter gehen vorsichtig davon aus, dass mit den vorgeschlagenen Maßnahmen der Marktanteil des öffentlichen Verkehrs im AVV-Raum von heute rund elf Prozent um zehn bis 30 Prozent gesteigert werden kann. Dies wird jedoch mehrere Jahre in Anspruch nehmen und sollte idealerweise mit flankierenden Maßnahmen im Bereich des Pkw-Verkehrs einhergehen, etwa einer deutlichen Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung.

Für Hans-Peter Geulen, den Geschäftsführer des Aachener Verkehrsverbundes, steht fest: „Die Verkehrswende ist auch im AVV machbar. Nur ein stärker ausgebauter und somit attraktiverer ÖPNV wird perspektivisch zu deutlich mehr Fahrgästen und einem höheren Marktanteil des öffentlichen Verkehrs im AVV führen.“

Dr. Tim Grüttemeier, Städteregionsrat der StädteRegion Aachen und AVV-Verbandsvorsteher ergänzt: „Ein starker ÖPNV ist unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung multimodaler Verkehrsnetze, wie wir sie im Rahmen des Strukturwandels schaffen wollen. Ein zentrales Element dieses Netzes wird da-bei der MobilitätsHub am Forschungsflugplatz Aachen Merzbrück sein, der insbesondere die Pendlerströme in Richtung Oberzentrum Aachen bündeln und neu verteilen wird.“

Sibylle Keupen, Oberbürgermeisterin der Stadt Aachen, hat die Umsetzung fest im Blick: „Die Stadt Aachen will bis 2030 100% klimaneutral aufgestellt sein und geht dabei deutlich schneller voran als die Bundesregierung es vorgibt. Das setzt ganz klar auch eine Transformation des ÖPNV voraus. Im kommunalen Integrierten Klimaschutzkonzept der Stadt Aachen sind umfangreiche Maß-nahmen zur Ausweitung des ÖPNV dargestellt. Die Stadt Aachen möchte in den nächsten Jahren zusätzliche Mittel in Höhe von rund 36 Mio. Euro netto investieren, um das Angebot auf den Schnellbusachsen, im innerstädtischen City-Takt, aber auch an den Wochenenden sowie im on-Demand-Verkehr in der Fläche zu attraktivieren. Die Umsetzung der ambitionierten Ziele kann aber nur gemeinsam gelingen.“

Stadt Aachen und StädteRegion Aachen initiieren dazu gemeinsam mit AVV, ASEAG und weiteren Mobilitätsdienstleistern themenspezifische Arbeitsgruppen, in denen in den Zukunftsfeldern „Starke Achsen“, „Mobilstationen und Multimodalität“, „Regionale Radinfrastruktur“ und „Finanzierung Mobilitätswende“ innovative Ideen und deren Umsetzung entwickelt werden.

Hintergrund

Der Aachener Verkehrsverbund (AVV) hat im Herbst 2020 gemeinsam mit den vier Aufgabenträgern (Stadt Aachen, StädteRegion Aachen, Kreis Düren und Kreis Heinsberg) ein umfassendes Gutachten zur „Untersuchung von Maßnahmen zur Stärkung des ÖPNV im AVV“ in Auftrag gegeben.

Das Gutachten von civity Management Consultants soll die Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen verbreitern, die den Modal-Split nachhaltig zu Gunsten von öffentlichem Verkehr und Umweltverbund verändern. Im Fokus der Untersuchung standen dabei die Handlungsfelder ÖPNV-Angebot, Tarifgestaltung, Marketing, Digitalisierung im ÖPNV und Finanzierung.

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