Ein umfangreiches strategisches Gutachten im Auftrag des AVV zeigt nun, was für eine erfolgreiche Verkehrswende im AVV vor allem nötig ist: ein dichteres Angebot und eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung des öffentlichen Verkehrs. Die Gutachter schlagen daher neue Instrumente zur ÖPNV-Finanzierung vor und zeigen auch den hierfür erforderlichen rechtlichen Anpassungsbedarf auf Landesebene auf.
Das Gutachten des Beratungsunternehmens civity Management Consultants im Auftrag des AVV formuliert klare Ergebnisse und Empfehlungen:
- Um den ÖPNV als echte Alternative zum Pkw zu etablieren, sollten Busse und Bahnen deutlich häufiger fahren als bisher. Dazu schlagen die Gutachter insbesondere dichtere Takte und eine deutliche Verdichtung des Fahrplanangebots am Abend sowie am Wochenende vor. Die ÖPNV-Netzdichte im AVV dagegen ist heute bereits gut und erschließt große Teile der Bevölkerung.
- Um die Reisezeiten mit dem ÖPNV gegenüber dem Pkw zu verkürzen und gleichzeitig Betriebskosten zu sparen, müssen Busse und Bahnen konsequent gegenüber dem Pkw bevorrechtigt und priorisiert und damit deutlich schneller werden. Ein attraktiver und leistungsfähiger ÖPNV fährt möglichst direkte Linienwege und steht nicht im Stau.
- In der Stadt Aachen und auf stark nachgefragten Achsen im Umland empfehlen die Gutachter leistungsstarke, schienengebundene Verkehrsmittel, so wie sie in Aachen bereits vertieft diskutiert und untersucht werden (Regio-Tram).
- Flexible Bedienformen und sogenannte On-Demand-Angebote können den klassischen ÖPNV in sehr dünn besiedelten Gebieten und zu sehr schwach nachgefragten Zeiten ergänzen (z. B. nachts), ihn jedoch nicht ersetzen.
- Der weitere Ausbau des ÖPNV-Angebotes (insb. Taktverdichtung) entfaltet mit einer optimierten Verknüpfung von Bus und Bahn sowie der Vernetzung mit weiteren Playern des Mobilitätsverbundes optimale Wirkungen.
- Die vom AVV bereits verfolgte Digitalisierungsstrategie sollte konsequent umgesetzt werden, z. B. hinsichtlich der in der Umsetzung befindlichen zentralen Vertriebsplattform sowie des kurz vor der Einführung stehenden NRW-weiten eTarifs.
- Um die skizzierten Maßnahmen zu finanzieren, haben die Gutachter konkrete Instrumente ausgearbeitet und berechnet, welche Mittel sich hierdurch jeweils für den öffentlichen Verkehr erzielen ließen. Eine juristische Bewertung der Instrumente zeigt jedoch auf, dass für viele Maßnahmen zunächst die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen auf Landesebene zu schaffen sind (z. B. für die Einführung eines Bürgertickets oder eines Arbeitgeberbeitrags zum ÖPNV).
- Ideen wie Preissenkungen, 1-Euro-Tickets oder kostenloser ÖPNV erteilt das Gutachten nach vertiefter Prüfung eine klare Absage: diese führen nachweislich nicht zu den oftmals erhofften Fahrgastzuwächsen. Es ist wesentlich vielversprechender, die vorhandenen Finanzmittel für den starken Ausbau des Angebots statt für Preissenkungen zu nutzen.
- Die Gutachter gehen vorsichtig davon aus, dass mit den vorgeschlagenen Maßnahmen der Marktanteil des öffentlichen Verkehrs im AVV-Raum von heute rund elf Prozent um zehn bis 30 Prozent gesteigert werden kann. Dies wird jedoch mehrere Jahre in Anspruch nehmen und sollte idealerweise mit flankierenden Maßnahmen im Bereich des Pkw-Verkehrs einhergehen, etwa einer deutlichen Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung.